Leben/Meinung / FeTAp 611, eine Legende in der Geschichte der Telefonie

Ich kann tatsächlich behaupten, dass mein Telefon schon einige Jahre mehr hinter sich hat, als ich selbst.



Nein, ich rede nicht vom mobilen Computer, der in meiner Hosentasche rumgeistert.

Es geht um das Festnetztelefon zuhause. FeTAp 611-2, so nennt es sich. Ausgeschrieben bedeutet das Fernsprechtischapparat.
Das Modell 61 wurde 1963 auf den Markt gebracht, die geringfügig veränderte Version 2 war seit 1968 verfügbar. Die dritte Ziffer in der Typenbezeichnung besagt, welche Zusatzausstattung vorhanden ist, sprich Erdtaste, A2-Schaltung oder Schauzeichen. Mein Modell 611 hat demnach lediglich die Grundausstattung.

Angefangen hat die Geschichte dieses Telefones mit einer Freundin, die eine Variante in hellrotorange im allgemeinen Krimskrams auf einem Dachboden fand. Erst nur als Deko genutzt, fragte sie mich, ob man das wieder in Betrieb nehmen könnte. Warum eigenlich nicht?
Genau das dachte ich mir, und obwohl ich wusste, dass das damals genutzte Impulswahlverfahren nicht mehr gängig war, wollte ich es versuchen. Also brachte sie ihren Apparat vorbei, ich verpasst ihm ein neues Anschlusskabel, und fing an zu experimentieren.



Wählimpulse zu zählen, das war wirklich keine Schwierigkeit. Angefangen habe ich mit dem ATmega168, der für dieses Vorkommen natürlich völlig überdimensioniert war und später durch einen ATtiny85 ersetzt wurde.
Zwischen den einzelnen Ziffern müssen mindestens zweihundert Millisekunden liegen, damit der Controller weiß, dass die nächste Ziffer gewählt wird. Das stellt aber im Normalfall keinerlei Probleme dar, da man die Wählscheibe ja auch erst einmal wieder auf die gewünschte Position drehen muss.
Die gezählten Impulse mussten dann in einen Doppelfrequenzton umgewandelt werden. Auf der Suche nach einer Lösung für den Microcontroller stieß ich auf den HT9200B, ein spezieller Chip zur Erzeugung von Mehrfrequenztönen. Dieser kann über eine serielle Verbindung mit dem ATtiny kommunizieren und binär empfangene Ziffern als Doppelfrequenztöne ausgeben. Also besorgte ich alle Teile und fing an zu planen und zu experimentieren.

Damit der Konverter nicht die ganze Zeit läuft, arbeitet er nur bei abgehobenem Telefonhörer. Dazu nutze ich den Schleifenstrom der Telefonleitung, die Schaltung hängt zwischen der a-Ader des Telefons und er La-Ader der Leitung.
Kondensatoren und Elkos sorgen dafür, dass die Spannungsversorgung auch während der kurzen Leitungsunterbrechungen des Wählvorgangs bestehen bleibt. Eine antiparallel geschaltete Zenerdiode verhindert die Fehlpolung des Aufbaus während des Telefonklingelns. Sein Signal zur Zählung der Impulse bekommt der Controller durch einen Operationsverstärker, dessen Eingänge einfach per Spannungeteiler versorgt werden.

Anfangs ließ ich den ATtiny alle Impulsfolgen zählen, und erst nach 5 Sekunden ohne weiteren Wählvorgang die Nummer an den HT9200B zu übertragen. Dies erwies sich aber als nicht praxistauglich, da viele Router und Telefonanlagen nicht genug Geduld mitbringen, und nach einiger Zeit die Leitung wieder frei machen. Man bekommt dann einfach ein Besetztzeichen.
Also änderte ich meine Programmierung dort hin gehend, dass der entsprechende Ton nach jeder einzelnen gewählten Ziffer ausgegeben wird. So bleibt genug Zeit zum Wählen.



Rein theoretisch könnte man diese Schaltung auch komplett im Telefon verbauen. So würde dann am TAE-Stecker schon Tonwahl anliegen. Allerdings beschloss ich aus Nostalgiegründen, den Apparat selbst unverändert zu lassen, und die Elektronik in einem externen Gehäuse unterzubringen.

Kaputt geht an diesen Telefonen wirklich selten etwas. Manchmal muss man die Kontaktflächen des Gabelumschalter und der Wählscheibe reinigen, bei einigen Geräten die Sprechkapsel säubern, in manchen Fällen fehlt auch das Anschlusskabel oder der Stecker. Damit hat es sich dann meistens auch schon.




Warum jetzt ein Wählscheibentelefon?
Naja, einerseits, weil es ein wirklicher Blickfang ist. Und wenn Leute darauf aufmerksam werden, und man sie bittet doch mal den Hörer abzuheben, dann wundern sie sich, dass es tatsächlich noch in Betrieb ist.
Andererseits telefoniere ich wirklich öfter, seit dieses Telefon hier steht. Sich die Nummern wieder zu merken, das ist ein wenig Aufwand für die grauen Zellen. Wem das gar nicht mehr gelingen sollte, der hat immer noch die Möglichkeit, sie sich irgendwo zu notieren.

Die Sprachqualität dieser Apparate ist wahnsinnig gut! Ich war selbst überrascht, als ich mit besagter Freundin, auf jeder Seite ein FeTAp 611-2, telefonierte. Das, was wir sonst von modernen DECT-Telefonen oder vom Smartphone gewohnt sind, ist ziemlich mies dagegen.
Die Reichweite des Kabels grenzt ein. Klar, ich könnte mir das um einige Meter verlängern. Aber muss das sein? Ich finde nicht! Bei mir kommt man genau bis auf die Couch, das reicht aus. Dort kann ich es mir in Ruhe bequem machen, um dann vielleicht auch mal länger zu reden.